Der Unfalltag und die vier folgenden schweren Tage
Nach gewöhnlicher Verabschiedung wie: "Tschüss mein Schatz bis heute Abend und fahre bitte ordentlich", verließ Roccy am 8.6.2007 um 8.10 Uhr mit dem Moped sein zu Hause.
Um 8.45 Uhr klingelte unser Telefon und Schulkamerad Alexander teilte uns mit, dass Roccy nicht in der Schule sei und man erzähle er hätte einen Unfall zwischen Teutleben und Aspach gehabt.
Daraufhin wollten wir mit dem Auto die Unfallstelle aufsuchen und versuchten ihn auf seinem Handy zu erreichen. Nach längeren Klingeln meldete sich die Notärztin an Roccy´s Handy und teilte uns mit: "Wir sind schon auf dem Weg ins Gothaer Helios-Klinikum und kommen Sie bitte in einer Stunde."
Wir fuhren wieder nach Hause und inzwischen waren auch schon Roccy´s Klassenkameraden Alexander und Martin bei uns. Wir nahmen zusammen mit ihnen den Weg ins Klinikum. Wir gingen durch die Notaufnahme und vorbei an einem blutüberströmten schwerverletzten jungen Mann, ohne Annahme das dies unser über alles geliebter Sohn Roccy war.
Eine Ärztin nahm uns in Empfang und erklärte uns die Verletzungen, die Roccy bei dem Unfall erlitten hatte. Daraufhin registrierten wir erst einmal...dieser Schwerstverletzte ist unser Roccy. Wir waren fassunglos und brachen in Tränen aus, wir konnten es nicht begreifen.
Die Ärztin war sehr fürsorglich, versuchte uns zu beruhigen und teilte uns mit, dass Roccy durch die Mittelgesichtsfraktur und dem Kieferbruch nicht in Gotha behandelt werden kann und in ein nahegelegenes Klinikum (Helios-Klinik Erfurt) geflogen wird. Desweiteren erlitt er einen beidseitigen Schienenbeinbruch und einen Beckenbruch.
Bis dahin konnte uns keiner etwas über den Unfallhergang sagen, wir suchten die Polizei auf. Eine Beamtin teilte uns mit, dass Roccy ungebremst auf einen durch Panne bedingt halteten Container LKW aufgefahren ist. Wörtlich sagte sie: "Da hat er wohl voll getrieft!"
Nun fuhren wir voller Sorge, total aufgewühlt nach Erfurt in das Helios-Klinikum. Man nahm uns kurz in Empfang, sagte uns dass Roccy gerade operiert wird, wir sollten gegen Abend anrufen. Gegen 18.00 Uhr riefen wir an, um Informationen zu bekommen. Nun sagte man uns: "Sie können kommen."
Nach dem Eintreffen nahm uns ein Arzt in Empfang und teilte uns mit: "Wir haben ihren Sohn ins Koma versetzt. Ob sie kommen oder nicht, er wird es nicht merken! Die Schienenbeine haben wir mit Fixateuren stabilisiert, eine Hirnsonde gelegt, weil auf dem Flug leichtes Hirnbluten aufgetreten ist, was sich aber wieder normalisiert hat. Und nun können Sie ihn besuchen."
Wir waren völlig verstört, wie kann er sagen, "ob wir ihn besuchen oder nicht...er nimmt sowieso nichts wahr..", es ist medizinisch nicht nachweisbar, ob Komapatienten ihr Umfeld wahrnehmen können. Wir als Eltern wollten alles tun, mit unserer Liebe und Anwesenheit.
Wir suchten unseren Sohn an seinem Bett auf, allerdings waren wir über seinen Anblick so entsetzt, dass wir weinend und total am Ende die Station verließen. Hätte uns nicht jemand darauf vorbereiten können? Wir suchten sofort die Ärztin der Unfallstation auf, auch diese war über den Unfall informiert. Sie zeigte uns noch einmal das Verletzungsbild unseres Sohnes auf, was vollkommen identisch mit dem in Gotha war.
Die nächsten 4 Tage riefen wir immer wieder gegen 9.00 Uhr in Erfurt an und besuchten Roccy gegen 15.00 Uhr. Bei den Anrufen versicherte man uns immer, es sei alles im grünen Bereich und alles in Ordnung.
Bei den Besuchen am Nachmittag fanden wir immer andere Ärzte vor. Mal sage man uns, die Beine sollen erst operiert werden, dann wieder der Kiefer. Beim Nachfragen über die Verletzungen am Kopf konnte man uns keine Auskunft geben. Am 12.06.2007 sagte man uns beim morgentlichen Anruf, man würde ihn heute am Kiefer operieren und wir sollten nicht um 15.00 Uhr zu Besuch kommen.
Um 14.15 Uhr kam dann der unser Leben verändernde Anruf. Wir sollten sofort ins Klinikum kommen, die Lage unseres Sohnes hätten sich trastisch verschlechtert. Nach 45 Minuten waren wir dort, uns nahm sofort ein Arzt in Empfang. Er stand klägerisch vor uns und sagte nur: "Ihr Sohn hat es leider nicht geschafft." Voller Entsetzen fragten wir ihn, an was es gelegen hat. Er antwortete nur: "Das weiß ich nicht, bestimmt das Herz!"
Er bat uns dann in einem Raum mit zu kommen, um Abschied von unseren Roccy zu nehmen. Wir saßen wie gelähmt, hemmungslos weinend vor ihm. Es kann doch nicht wahr sein, wir wollten dies alles nicht glauben, ist das wirklich alles real? Unser Roccy TOT ? Nach einer Weile (ich weiß nicht wie lange wir bei Roccy saßen) verließen wir dieses Zimmer, doch dann gingen wir noch einmal zurück....wir streichelten ihn ein letztes mal....
Es war unser schlimmster Moment im Leben, vor seinem toten über alles geliebten Kind zu stehen.
Im Vorraum bot uns der mit dieser Situation völlig überforderte Arzt seelischen Beistand zu holen an, da dieser aber nicht vor Ort war und erst kommen mußte, lehnten wir es ab und fuhren wie im Trauma nach Hause.
In Folge des Unfallberichtes und des Obduktionsbefundes, wurde als Todesursache ein Schädelhirntrauma III Grades angenommen.
Durch das Aufteten der Ärzte in diesem Klinikum wurde uns in keiner Weise die Schwere der Verletzungen unseres Sohnes vermittelt. Desweiteren hätten wir uns gern mehr Einfühlungsvermögen erhofft, wenn man als Eltern seinen einzigen 16-jährigen Sohn verliert. Wir sind so entsetzt und enttäuscht, dass wir jedes Vertrauen in diese medizinische Einrichtung verloren haben.
09.08.2010 für dich Roccy.....
Da wir zu keinem Zeitpunkt mit der Behandlungsweise unseres Sohnes im
Klinikum Erfurt zufrieden waren und wir Zweifel an die medizinische
Versorgung stellen, haben wir uns entschieden den Krankheitsverlauf mit
Todesfolge durch eine Schlichtungsstelle prüfen zu lassen.
Auch wenn es unser geliebtes Kind nicht wieder bringt, möchten wir über
den Grund seines Todes aufgeklärt sein.
Wir werden für dich lieber Roccy kämpfen, so wie du es im Leben auf
Erden immer getan hast!

Roccy´s erste und letzte Schuhe...zwischen diesen Schuhen liegt ein ganzes Leben...
Du WARST –
das kann ich nicht hinnehmen,
es hört sich an wie: verloren.
Du BIST –
und wirst es immer sein,
in meinem Herzen, meinen Gedanken,
meinen Träumen und in meiner Erinnerung.
~ Marina Szczecinski ~
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